Kennt ihr das: Ihr habt etwas gelernt oder begriffen, das ihr eigentlich schon lange wusstet?
Mir geht das jetzt gerade so. Viele Jahre lang hatte ich immer im Hinterkopf, noch dieses oder jenes schreiben, malen oder machen zu wollen. Der große Verhinderer grätschte dann dazwischen. Das hatte zur Folge, dass ich Projekte aufschub, ad acta legte oder in Prokrastination verfiel. Dies äußert sich bei mir in dem Verhalten, erstmal Literatur, Blogs oder Artikel zum Thema zu studieren oder für viel Geld Unmengen an Material zu kaufen. Zuletzt für das Nähprojekt. Jetzt liegt mein ganzes Büro voll mit Stoffen, Werkzeugen und Kurzwaren. Seit Monaten habe ich nicht mehr daran gearbeitet, den zweiten Greifball fertigzustellen. Am Ende der Prokrastination habe ich alles beisammen und es passiert: nichts mehr.
Jetzt habe ich eine kleine Tochter und auf wundersame Weise gleichzeitig gar keine und viel mehr Zeit als je zuvor. Was und warum beginne ich nun also zu begreifen? Auslöser sind zwei völlig verschiedene Podcasts, die ich gehört habe. Der eine beschäftigt sich mit Gewaltfreier Kommunikation in der Erziehung. Es ist viel die Rede davon, Bedürfnisse zu artikulieren. Da habe ich mich zu fragen begonnen, was zur Zeit eigentlich meine Bedürfnisse sind. Die Antwort ist recht simpel: etwas Zeit für mich allein. Mußestunden. Lesen, malen, mal ins Theater gehen. Daraufhin habe ich mein Bedürfnis artikuliert und nun bekomme ich ein bis zweimal die Woche Gelegenheit, etwas für mich zu tun. Der andere Podcast beschäftigt sich mit dem Thema Kreativität. Dort werden die altbekannten Probleme besprochen: anfangen, Angst vor dem leeren Blatt, Verschieberitis, Scheitern am Perfektionsgedanken. Das war nun der zweite Baustein, den ich brauchte, um zu lernen, was ich lange wusste: Kreatitivät ist ein Muskel, der trainiert werden möchte, um arbeiten zu können.
Für mich beginnt gerade eine aufregende Reise. Ich hoffe, ich kann mir diese neue wunderbare Gewohnheit des Kreativ seins erarbeiten. Schon jetzt merke ich, wie friedlich es sich anfühlt, wenn ich nach drei Stunden babyfrei ins Bett gehe und davor ein Bild gemalt habe. Auch, wenn das wirklich unmöglich aussieht. Hat ja auch niemand behauptet, ich sei begabt. Aber es macht mir ganz einfach ganz große Freude!