Edmund Bergler, ein österreichisch-US-amerikanischer Psychoanalytiker hat diese zehn allgemeinen Meinungen zum Thema Schreibblockaden zusammengestellt. Wichtig ist noch zu wissen, dass er von 1899 bis 1962 gelebt hat. Veraltet sind diese Prämissen jedoch nicht, müssen nur in unserem modernen Kontexten gedacht werden. Hier ist mein Senf dazu.
1. fehlendes Talent
Das ist natürlich ein großes Problem und das Schreiben müsste nach dieser Erkenntis aufgegeben werden. Allerdings kann man auch Schiller sein, wenn man kein Goethe ist. Was das heißt? Nicht jeder Mensch muss ein „naives“ Naturtalent sein, bei dem die Poesie vollkommen aus den Fingerspitzen fließt. Zum Ruhm gelangt ebenfalls der „sentimentalische“ Künstler, der mit Verstand, Handwerk und einer gehörigen Portion Fleiß ans Ziel gelangt. Schreiben, aber auch Malen sowie andere Kulturtechniken sind erlernbar. Neulich habe ich den Satz gehört: Wer ins Paradies will, der muss darum kämpfen und es immer wieder aufs Neue suchen. Das klingt nach Arbeit. Vielleicht doch lieber lassen?
2. mangelnde Publiaktionsmöglichkeiten
Dieser Punkt lässt sich heute nur noch schwer geltend machen. Natürlich ist ein Verlagsvertrag mit einem Topf voller Gold am Ende des Regenbogens zu vergleichen, aber es haben sich andere Wege aufgetan. Book on demand und Selfpublishing überfluten den Markt. Es ist möglich, ohne große Kosten sein Buch zu veröffentlichen. Oder es wird Geld in die Hand genommen, um die Chancen zu erhöhen. Mindestens viertausend Euro müssten dafür geblecht werden, für ein Buch mit 300 Seiten. Es fallen etwa 2.000 Euro für Lektorat und 1.000 Euro für Korrektorat an, 500 Euro für den Buchsatz, bis zu 500 Euro für ein professionelles Cover sowie noch eventuelle Ausgaben für Marketing. Das ist ein schöner Batzen Geld. Das muss erst einmal wieder verdient werden, wenn das Buch veröffentlicht ist. Das bekommt kein normaler Hobbyautor wieder eingespielt. Lieber die Finger weg davon!
3. das Ausgeschriebene Sein
Bei diesem Punkt weiß ich nicht, was damit gemeint ist.
Mein erster Gedanke dazu war, dass der Autor eins mit dem Geschriebenen wird. Insofern, als dass viele Leser häufig den Protagonisten oder Erzähler mit dem Autoren gleichsetzen. Es gehört Mut dazu, sich im Kontext seiner Werke der Welt zu präsentieren. In Anbetracht der Epoche, in der Bergler lebte, könnten damit auch die Inhalte an sich gemeint sein und die Konsequenzen, die das haben kann. Er war Soldat im ersten Weltkrieg und musste später nach dem Anschluss Österreichs aus dem Deutschen Reich emigrieren. Es könnte aber auch etwas aus der psychoanalytischen Sparte sein. Aber da habe ich jetzt keine nähere Idee dazu.
4. fehlende Zeit
Bei diesem Punkt komme ich um ein Schmunzeln nicht umher. Das Thema Zeitmanagement zählt heute zu den Kassenschlagern. Schlagworte, wie Zeitfresser eliminieren, Pomodorotechnik oder Selbstmanagement, sind überall vertreten. Die Idee, sich für seine kreativen Mußezeiten einen Kalendertermin zu setzen, ist plausibel und funktioniert. Fehlende Zeit ist meiner Ansich nach ein Glaubenssatz. Wer kennt das nicht? Ich habe keine Zeit für einen festen Freund oder einen Hund. Wann soll ich mich denn noch um den kümmern? Haben sich die Lebensverhältnisse dann aber plötzlich verändert, kann man sich nicht mehr erinnern, wie es vorher war. Das ist zwar etwas vom Thema weg, aber ich denke, du weißt worauf ich hinaus möchte. Gut, dann nehme ich mir die Zeit, aber vorher muss ich noch ein paar wichtige Dinge erledigen.
5. Alkohol
Wie jetzt? Was würde Hemingway dazu sagen? Im Ernst, jeder weiß, dass der Fokus im Rausch verloren geht und auch der Antrieb lässt nach. Gleichwohl enthemmt Alkohol und dem Gedankenkarussel kann entflohen werden. Zum Teufel mit dem inneren Kritiker. Manchmal mag das funktionieren, es blockiert auf Dauer aber noch mehr als es löst.
6. fehlender Wille zum Marktrisiko
Das verstehe ich nicht so ganz in Bezug auf Literatur. Vielleicht spielt das auf „entartete“ Themen an oder gefährliche Konsequenzen, wenn die Literatur zu politisch ist. Wir versetzen uns wieder kurz in die Epoche Berglers hinein. Als aktuellen Bezugspunkt ist mir direkt Fifty Shades of Grey eingefallen. Die Autorin konnte unmöglich wissen, dass sie durch ihre Bücher ein Zeitalter des „Hausfrauen-BDSM“ einläuten würde. Letztlich glaube ich aber nicht, dass sie wahnsinnig viel zu verlieren gehabt hätte. Sie hat das Buch meines Wissens anonym veröffentlicht. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass sie viel Kapital in den Text investiert hat. Hüstel. Heute lässt sich einfach alles vermarkten. Den Inhalten sind keine Grenzen gesetzt.
7. Faulheit
Schuldig im Sinne der Anklage. Aber was ist Faulheit eigentlich? Das wäre einen eigenen Blogartikel wert. Kann ein Schreiber, der nicht schreibt, überhaupt schreibfaul sein? Existiert Faulheit vielleicht nur, wenn es vorher Fleiß gegeben hat? Ich finden keinen rechten Zugang zu diesem Punkt. Das ist ein anstrengedes Thema. Ich ruhe mich erstmal ein bisschen aus und denke später weiter darüber nach.
8. übersteigerte Karrierevorstellungen
Absolut. Unsere Karrierevorstellungen entwickeln sich im Zuge unserer Social-Media-Gesellschaft in eine neue Richtung. Die Idee, mit wenig Aufwand ein exorbitantes Eregbnis zu erzielen, finde ich immer wieder im Internet. Ebenfalls bekommt man überall hinterhergerufen, dass man zwar nichts Neues auf Lager hat, aber dass man etwas ganz besonderes ist und die Welt daher gerade noch diese eine, nämlich DEINE, Sichtweise benötigt. Genauso wie ich hier, mit dem x-ten Beitrag zum Thema Schreibblockaden. Dieses Argument schafft mich gerade selber ab.
Anders ausgedrückt könnte ich mir die Hemmschwelle folgendermaßen vorstellen. Der Text muss derart gut sein, dass das Manuskript direkt überzeugt und beim Fischer Verlag als Debüt-Roman veröffentlicht wird und im Thalia-Regal oben links steht. Mist. Das Thema ist schonmal nur semi interessant und der Stil eher Landgasthof als vegane Sterneküche. Lieber mal lassen. Das macht schon Angst.
9. Ablehnung durch den Verleger
Das dürfte heutzutage kein Kriterium mehr sein, da ein Verlag von allen unangeforderten Manuskripten in drei Jahren nur zwei Fische aus dem Teich zieht. Ich weiß die Zahl nicht mehr genau, die ich neulich in einem Podcast gehört habe. Es war aber frappierend wenig. Das heißt, Ablehnung ist der Standard.
Ablehnung von der Familie, Freunden und der Gesellschaft spielen heute eher eine wesentliche Rolle. Viele Menschen können mit derartiger Kreativität nichts anfangen. Brotlose Kunst und so. Arbeite lieber etwas Richtiges. Du musst Geld verdienen. Das ist peinlich. Das können Stimmen sein, die als innere Mantren aufploppen oder die man wirklich gesagt bekommt. Die anonyme Masse kritisiert, zerreißt und beleidigt gerne. Kann ich das aushalten? Will ich das aushalten? Lieber den Ball flach halten und unter dem Radar fliegen. Für die Schublade brauche ich nicht schreiben, dann eben seinlassen.
10. fehlende Kenntnisse über die Auflösung von Schreibblockaden
Wie schon erwähnt gibt es eine Flut von Ratgebern zu diesem Thema. Hat davon schon jemals einer geholfen? Ich bin mir nicht sicher. Ich habe viel darüber gelesen, ich schreibe darüber. Ich habe trotzdem noch meine Blockade. Ich bin mir deswegen absolut sicher darüber geworden, dass kein Weg an einem Coaching oder einer Therapie vorbeiführt. Blockaden entstehen meistens aus kleinen oder großen Traumata heraus, aus hindernden Glaubenssätzen oder tiefverwurzelten Signalerlebnissen aus der Kindheit. Das ist doch bei jedem Menschen ein blinder Fleck. Wie soll sich jemand dessen alleine bewusst werden und das auflösen? Verhaltensmodifiaktionen müssen vorgenommen werden, um alte ungesunde Muster durch neue zu ersetzen. Sich der Blockade zu stellen ist schmerzhaft. Eine dosierte Anleitung, was wie angegangen werden sollte, scheint mir eine gute und besonders nachhaltige Lösung zu sein. Klar, das kostet Zeit und Geld. Nicht jeder kann sich das leisten. Schade eigentlich.

Das Lesen von Texten über Schreibblockaden kann schnell zum Prokrastinieren führen. Das Schreiben darüber leider auch. Es ist im schlimmsten Fall ein Tanz um das Problem herum. Es ist ein Konsumieren. Konsumieren ist passiv. Kreativität entsteht aus Aktivität.

Also gibt es zum Schluss eine kleine kreative Schreibaufgabe:

Eine Katze liest Zeitung über typische Blockaden bei Katzen. Bei einem Punkt hält sie inne, denn der trifft absolut auf sie zu. Beschreibe den Moment der Erkenntnis und erzähle, was die Katze danach zum ersten Mal nach Jahren wieder tut.

Viel Spaß beim Schreiben und noch mehr Erfolg beim Kampf gegen die Blockade!

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